Stand:
21.10.2021
Magda Olszewska
Sie haben in Polen Einkäufe für Ihr Unternehmer ausgeführt, bei denen die polnische Vorsteuer angefallen ist? Oder Sie haben die Waren nach Polen eingeführt und die Umsatzsteuer an der Grenze bezahlt? In diesem Beitrag erklären wir, wie Sie die bezahlte Steuer von dem polnischen Staat erstattet bekommen können.
INHALTSVERZEICHNIS
Das wichtigste Prinzip der Umsatzsteuer lautet: Die Umsatzsteuer, mir der der Unternehmer bei dem Erwerb belastet wird, kann abgezogen werden, sofern kein Endverbrauch vorliegt. Werden die erworbenen Waren/ Dienstleistungen für die Ausführung der steuerbaren Tätigkeiten verwendet, so kann der Unternehmer die bei dem Erwerb angefallene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.
Auf jeder Wirtschaftsstufe fällt also Umsatzsteuer in Höhe des sog. Mehrwerts an, worunter die Differenz zwischen dem Nettoverkaufs- und dem Nettoeinkaufspreis einer Ware zu verstehen ist.
Das Funktionieren des Systems ist klar, wenn alle Phasen in einem Staat erfolgen. Jeder in der Leistungskette zahlt dem Staat nur diesen Teil der Steuer, der dem von ihm geschaffenen Mehrwert entspricht. Im Endeffekt bekommt der Fiskus von allen an der Leistungskette Beteiligten die Summe der angefallenen Umsatzsteuer.
Die Situation kompliziert sich, wenn einige Phasen der Leistungskette in einem anderen Staat stattfinden. In diesem Fall wird die Steuer in einem anderen Land geschuldet als in dem, in dem der tatsächliche Endverbrauch stattfindet. Es kann z.B. passieren, dass der Unternehmer in dem A-Staat steuerbare Leistungen erworben hat, die er für die Ausführung von in dem B-Staat steuerbaren Tätigkeiten benötigt. Wären die Systeme der Umsatzsteuer zwischenstaatlich nicht verbunden, so würde der Unternehmer die Steuer zweimal tragen:
Um die Neutralität der Umsatzsteuer für die Unternehmer in solchen Fällen zu gewährleisten, haben sich die EU-Mitgliedstaaten entschieden, ein sog. Vorsteuererstattungsverfahren einzuführen.
Das Vorsteuererstattungsverfahren wurde mit der EU-Richtlinie 2008/9/ EG eingeführt. Dieses Verfahren ist EU-weit vereinheitlicht und für alle EU- Mitgliedstaaten obligatorisch. Das Verfahren soll sicherstellen, dass der Staat des Erwerbs dem Unternehmer die Vorsteuervergütung gewährt auch in diesem Fall, wenn der Verkauf in einem anderen Staat der EU stattfindet.
Die Unternehmer, die die Kosten der in einem anderen Staat angefallenen Umsatzsteuer getragen haben, haben die Möglichkeit, einen Antrag auf die Erstattung der Steuer von diesem Staat über die Steuerbehörde eigenen Staates zu stellen. Die Steuerbehörde eigenen Staates führt die einleitende Überprüfung des Antrages aus und dann leitet den Antrag an die zuständige Behörde in dem Mitgliedstaat der Erstattung weiter. Der Mitgliedstaat der Erstattung prüft, ob alle weiteren Voraussetzungen zur Vergütung der Vorsteuer erfüllt sind. Nach Abschluss der Bearbeitung erhält der Antragsteller einen Bescheid vom Mitgliedstaat der Erstattung. Falls dem Antrag zugestimmt wird, erhält der Antragsteller anschließend eine Vergütung auf sein Bankkonto von dem Mitgliedstaat der Erstattung.
Beispiel:
Firma Spatz GmbH mit dem Sitz in Deutschland hat keine feste Niederlassung in Polen und übt keine Verkäufe in Polen aus.
Spatz GmbH hat Möglichkeit erwägt, in Polen eine Immobilie für Errichtung eines Lagers zu kaufen. Die Firma hat in Polen einen Sachverständigen mit der Immobilienbewertung beauftragt. Die Vergütung des Sachverständigen betrug 10.000 PLN netto.
Die Leistung der Immobilienbewertung unterliegt der Besteuerung an dem Ort, wo die Immobilie gelegen ist (Art. 28e des UStG-PL) – in diesem Fall in Polen. Der Sachverständige hat dementsprechend eine Rechnung mit der Umsatzsteuer 23% ausgestellt: 10.000 PLN + VAT 2.300 PLN.
Spatz GmbH hat keine Möglichkeit, die angefallene Umsatzsteuer in eigener deutschen Umsatzsteuervoranmeldung als Vorsteuer abzuziehen, da es sich um in Polen angefallene Steuer handelt. Um die bezahlte Umsatzsteuer 2.300 PLN zurückerstattet zu bekommen, sollte Spatz GmbH einen Antrag auf Erstattung der polnischen Vorsteuer bei der deutschen Behörde stellen. Der Antrag wird von der deutschen Behörde vorläufig geprüft und dann an das polnische Finanzamt weitergeleitet. Wird das polnische Finanzamt dem Antrag zustimmen, wird es die angefallene Steuer 2.300 PLN an das Bankkonto der Firma Spatz GmbH auszahlen.
Ausländische Unternehmen, die in der Europäischen Union ansässig sind und die Erstattung polnischer Vorsteuern beantragen, dürfen:
Es gibt allerdings einige Ausnahmen zu der Voraussetzung der Nichtausführung der Verkäufe in Polen. Es gibt einige Leistungen, deren Ausführung für die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens unschädlich ist. Es handelt sich insbesondere um:
Die polnische umsatzsteuerliche Registrierung schließt die Anwendung vom dem Vorsteuererstattungsverfahren nicht aus. Die Unternehmer, die zu der polnischen Umsatzsteuer registriert sind, können die Erstattung der polnischen Vorsteuern in dem Vorsteuererstattungsverfahren über eigenen Staat beantragen, falls die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die polnische umsatzsteuerliche Registrierung schließt die Anwendung vom dem Vorsteuererstattungsverfahren nicht aus.
Anträge auf Erstattung von in Polen angefallenen Vorsteuern sind über das von dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist (Sitzfinanzamt), zur Verfügung gestellte elektronische Portal einzureichen. Der Ansässigkeitsmitgliedstaat leitet diesen Antrag an die polnischen Behörden weiter.
Bei Rechnungen (bzw. Zollbelegen) über 1.000 EUR bzw. Kraftstoffrechnungen über 250 EUR ist in Polen die Vorlage der Kopien der Rechnungen erforderlich. Die Rechnungen sollen als Anlagen zu dem Antrag auf die Vorsteuererstattung angehängt werden.
Der Erstattungsantrag ist bis spätestens 30. September des Folgejahres elektronisch einzubringen.
EU-Unternehmer können nur jene in Polen angefallene Vorsteuern geltend machen, für die nach dem polnischen Umsatzsteuergesetz eine Abzugsmöglichkeit vorgesehen ist.
Die Antragsteller können den Erstattungszeitraum selbst bestimmen. Der Erstattungszeitraum:
Der zu erstattende Betrag muss mindestens folgenden Betrag betragen:
Der Antrag auf die Erstattung der polnischen Vorsteuern ist bei dem zuständigen Finanzamt in eigenem Staat zu stellen. Nach der einleitenden Überprüfung wird das einheimische Finanzamt den Antrag an die polnische Steuerbehörde weiterleiten.
Das einheimische Finanzamt soll den Antrag ablehnen, wenn der Antragsteller im beantragten Vergütungszeitraum:
Nach dem Erhalt des Antrages führt das polnische Finanzamt eigene Überprüfung des Antrages. Das polnische Finanzamt wird den Antrag in folgenden Fällen ablehnen:
Der Antragsteller muss über nach den polnischen Vorschriften ausgestellten Rechnungen verfügen. Ansonsten wird der Antrag abgelehnt. Von daher ist es ratsam, die vorhandenen Rechnungen noch vor der Antragstellung zu überprüfen und die Austeller ggbfs. um die Korrekturen bitten.
Es kommt oft vor, dass die polnischen Lieferer die Rechnungen mit der polnischen Umsatzsteuer (Standardsatz 23%) ausstellen, obwohl die Ware direkt aus Polen ins Ausland versendet wird und die Lieferung als mit 0% besteuerte innergemeinschaftliche Lieferung angesehen werden soll. Die polnischen Lieferer weigern sich, die Rechnung mit dem 0% auszustellen, da sie Voraussetzungen für die Anwendung von dem 0% Satz sehr streng sind und sie dann grundsätzlich das Risiko auf sich nehmen, dass das Finanzamt die Anwendung von dem 0% Satz in Frage stellt.
Die ausländischen Erwerber, die den polnischen Lieferanten entgegenkommen und die Besteuerung dieser Transaktionen akzeptieren mit der Hoffnung, die bezahlte Umsatzsteuer später im Rahmen von dem Vorsteuererstattungsverfahren zurückzubekommen, laufen jedoch das Risiko, dass das polnische Finanzamt die Erstattung absagen wird.
Die polnischen Vorschriften sehen einen Abzugsverbot für einige Aufwendungen, z.B. Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen vor.
Das polnische Finanzamt hat grundsätzlich 4 Monate ab dem Eingang des Antrages, um über den Antrag zu entscheiden.
Diese Frist kann jedoch verlängert werden, wenn das Finanzamt von dem Antragsteller mehr Informationen braucht, um über den Antrag zu entscheiden. Die Frist zur Bearbeitung des Antrages kann maximal bis zu 8 Monaten verlängert werden.
Sehr oft benötigt das polnische Finanzamt mehr Informationen von dem Antragsteller, um den Sachverhalt genau zu überprüfen und feststellen zu können, ob der Antrag tatsächlich begründet ist. Das Finanzamt fordert dann den Antragsteller zur genauen Beschreibung des Sachverhaltes und Vorlage der Unterlagen, die den Sachverhalt bestätigen.
Die ausländischen Unternehmer vergessen auch oft, die Rechnungen von dem Wert über 1.000 EUR (bzw. Kraftstoffrechnungen über 250 EUR) zu dem Antrag anzuhängen. In diesem Fall fordert das Finanzamt zur Vorlage von diesen Rechnungen.
Die Unterlagen und Informationen sollten dem polnischen Finanzamt innerhalb von einem Monat ab dem Eingang der Aufforderung vorgelegt werden.
Wenn die vorgelegten Erläuterungen und Unterlagen für das Finanzamt nicht ausreichend sind, darf das Finanzamt den Antragsteller noch einmal zur Vorlage weiterer Informationen/ Unterlagen auffordern. Das Finanzamt darf maximal zwei solche Aufforderungen an den Antragsteller versenden.
Nein. Das polnische Finanzamt akzeptiert nur polnische Sprache.
Mein Name ist Magda Olszewska. Ich bin polnische Steuerberaterin und Leiterin der Kanzlei Olszewska Tax Consulting. Ich verfasse regelmäßig neue Artikel für unseren Blog, in denen ich Themen aufgreife, mit denen wir uns in unserer Praxis befassen.
Sollte es noch offene Fragen geben oder der Wunsch nach einer persönlichen Beratung bestehen, kontaktieren Sie uns gerne.
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