Stand:
16.07.2024
Magda Olszewska
Eine der Voraussetzungen für die Anwendung des Nullsatzes für die innergemeinschaftlichen Lieferungen (weiter: igL) ist in Polen, dass der Steuerpflichtige (Lieferant) zum Zeitpunkt der Abgabe einer Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige diese Lieferung ausweist, über eine gültige polnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) verfügt [1].
Das Problem entsteht beispielsweise, wenn ein ausländischer Unternehmer beginnt, in Polen steuerbare Tätigkeiten auszuführen, ohne davor die Formalitäten mir der Anmeldung zur Umsatzsteuer und Beantragung von der USt-ID in Polen erfüllt zu haben.
Darüber hinaus haben die polnischen Behörden in manchen Situationen das Recht, die polnische USt-ID des Unternehmers zu deaktivieren, z. B. wenn der Unternehmer drei aufeinanderfolgende monatliche Umsatzsteuermeldungen nicht abgegeben hat [2] oder in einer Situation, in der der Steuerpflichtige auf die Anfragen der Behörde nicht reagiert (Prämisse des fehlenden Kontakts mit dem Steuerpflichtigen [3]) – mehr darüber können Sie in meinen anderen Blog-Eintrag lesen.
Steuerpflichtige können sich daher in einer Situation wiederfinden, in der sie eine Steuererklärung abgeben und zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung über die gültige USt-ID noch nicht verfügen – entweder weil sie nicht wissen, dass eine solche Verpflichtung besteht, oder weil ihre USt-ID vom Amts wegen deaktiviert wurde. In dieser Situation stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige das Recht auf den Nullsatz für igL behält, obwohl er die Voraussetzung der aktiven USt-ID nicht erfüllt, und ob er, wenn er doch dieses Recht verliert, das Recht unwiderruflich verliert oder nach der Beantragung der USt-ID den Nullsatz rückwirkend anwenden kann.
Auf der Grundlage der diskutierten Fragestellung wurden drei Auslegungslinien entwickelt:
In den erteilten individuellen Auslegungen des Steuerrechts vertreten die Behörden eine einheitliche Auffassung, wonach die Voraussetzung für die Anwendung des Nullsatzes für igL darin besteht, dass der Steuerpflichtige bei Abgabe einer Steuererklärung, in der diese Warenlieferung ordnungsgemäß anzumelden ist, über die gültige USt-ID in Polen verfügt [4]. Nach Auffassung der Behörden hat der Steuerpflichtige das Recht, einen USt-Satz von 0 % anzuwenden, sofern er sich innerhalb der gesetzlichen Frist für die Abgabe einer Steuererklärung für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen registriert hat. Im Lichte dieser Auslegung kann das Versäumnis, sich innerhalb der festgelegten Frist für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen anzumelden, zu einem späteren Zeitpunkt in keiner Weise geheilt werden.
Es ist zu betonen, dass es sich hierbei um eine strengere Auslegung handelt, als sie sich aus dem Inhalt der Vorschrift ergibt. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich eindeutig, dass die Voraussetzung für die Anwendung des Nullsatzes ist, dass die USt-ID zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung gültig ist, und nicht zum Zeitpunkt des Ablaufs der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Steuererklärung.
In den Jahren 2008 bis 2011 haben sich Verwaltungsgerichte mehrmals mit der Frage befasst, die in der damaligen Rechtlage problematisch war, nämlich ob der polnische Gesetzgeber Recht hatte, die Vorlage von einer gültigen USt-ID Nummer als definierendes Merkmal der igL festzulegen. Die Verwaltungsgerichte haben damals zahlreiche Urteile erlassen, in denen sie dem polnischen Gesetzgeber das Recht verweigert haben, ein solches zusätzliches definierendes Merkmal zur Definition von igL festzulegen [5].
In der aktuellen Rechtslage haben die Woiwodschaftsverwaltungsgerichte die in der älteren Rechtslage erarbeitete Position fortgeführt. Nach Ansicht der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte ist eine solche Auffassung, dass die Nichterfüllung der Verpflichtung, sich vor Abgabe einer Steuererklärung für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen zu registrieren, ein Hindernis für die Anwendung des Umsatzsteuersatzes von 0 % darstellt, gegen die Bestimmungen des EU-Rechts verstößt[6].
Im Lichte der Auslegung der Gerichte soll der Steuersatz 0% anwendbar sein, wenn die materiellen Voraussetzungen für igL erfüllt sind, auch wenn bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt sind. Nur in zwei Fällen wäre es anders:
Die automatische Verweigerung der Möglichkeit der Anwendung des Steuersatzes 0% aufgrund der fehlenden Anmeldung für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen des Steuerpflichtigen ist im Lichte dieser Rechtsprechung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar.
Ein Bruch mit der aktuellen Rechtsprechung ist das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 1. März 2019, Az. I FSK 172/17. Das Gericht stimmte mit dem Finanzamt darin überein, dass der Steuerpflichtige das Recht hat, den Nullsatz anzuwenden, sofern er sich innerhalb der (gesetzlichen) Frist zur Abgabe einer Steuererklärung für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen registriert hat.
Das Oberverwaltungsgericht verweist auf den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dargelegten Grundsatz, wonach bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auf formelle Anforderungen zu verzichten sei. Nach Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts gilt diese Regelung nur für Fälle, in denen der Steuerpflichtige bei der Ausübung seiner Sorgfaltspflicht unwissentlich die formellen Voraussetzungen nicht eingehalten hat. Nach Ansicht des Obersten Verwaltungsgerichts kann die Nichterfüllung formeller Anforderungen nur dann nicht zu einer Verweigerung der Anwendung des Nullsatzes führen, wenn der Steuerpflichtige trotz aller gebotenen Sorgfalt in der irrigen Annahme gehandelt hat, dass diese formalen Anforderungen erfüllt seien.
Entgegen der Position der Finanzverwaltung vertrat das Oberste Verwaltungsgericht die Auffassung, dass ein Steuerpflichtige, der bei Abgabe seiner Steuererklärung seiner Pflicht zur Registrierung für die Zwecke der innergemeinschaftlichen Transaktionen nicht nachgekommen ist, die Möglichkeit hat, nach der Zuteilung der USt-ID die Erklärung zu berichtigen und die igL mit einem Nullsatz zu erfassen. Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht erforderlich, dass die gültige USt-ID zum Zeitpunkt des Ablaufs der gesetzlichen Frist zur Abgabe der Erklärung aktiv ist, sondern es reicht aus, dass sie zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuererklärung bzw. deren Korrektur aktiv ist.
Was sollen Sie also tun, wenn Sie eine igL in Polen ausgeführt haben und zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuererklärung noch keine aktive Eintragung in der MIAS -Datenbank vorhanden ist?
Attraktiv ist sicherlich die liberale Auslegung der Woiwodschaftsverwaltungsgerichten, wonach die ungültige USt-ID der Anwendung von dem Nullsatz für die igL nicht entgegensteht. Die vom Obersten Verwaltungsgericht in dem oben genannten Urteil dargestellte Auffassung ist jedoch sicherer und stellt in der Regel keine übermäßige Belastung für den Unternehmer dar. Der Unternehmer soll die Transaktion als inländische Lieferung deklarieren, sich so schnell wie möglich im MIAS registrieren lassen und dann, nachdem er die Eintragung im MIAS vorliegt, die USt-Erklärung korrigieren und igL mit dem Nullsatz melden.
Es ist jedoch zu bedenken, dass die Behörden diesen Ansatz in Frage stellen können, d. h. die Berichtigung der Erklärung und die Angabe von igL mit einem Steuersatz von 0 % für den Zeitraum, in dem der Unternehmer über keine aktive USt-ID verfügte. Ich empfehle Unternehmern zwei Möglichkeiten:
Fußnoten:
Art. 42 Abs. 1 Nr. 3 des UStG-PL.
Art. 97 Abs. 16 im Zusammenhang mit Art. 96 Abs. 9a Nr. 2 des UStG-PL.
Art. 97 Abs. 16 im Zusammenhang mit Art. 96 Abs. 9 Nr. 2 des UStG-PL.
Individuelle Auslegungen des Direktors für nationale Steuerinformationen: vom 4. April 2024, 0112-KDIL1-3.4012.37.2024.4.MR; vom 8. Oktober 2021, 0113-KDIPT1-2.4012.475.2021.3.KT; vom 04.06.2020, 0112-KDIL1-3.4012.10.2020.3.AKS.
Siehe insbesondere die Urteile des Obersten Verwaltungsgerichts: vom 24. März 2011, Az. I FSK 1579/10, vom 6. Oktober 2010, Az. I FSK 1710/09, vom 11. März 2010, Az. I FSK 1941/08.
Urteile: des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Warschau vom 31. Januar 2019, Az. III SA/Wa 232/18; des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Warschau vom 29. Juni 2017, Az. VIII SA/Wa 75/17; des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Breslau vom 20. Oktober 2016, Az. I SA/Wr 492/16 (aufgehoben).
Mein Name ist Magda Olszewska. Ich bin polnische Steuerberaterin und Leiterin der Kanzlei Olszewska Tax Consulting. Ich verfasse regelmäßig neue Artikel für unseren Blog, in denen ich Themen aufgreife, mit denen wir uns in unserer Praxis befassen.
Sollte es noch offene Fragen geben oder der Wunsch nach einer persönlichen Beratung bestehen, kontaktieren Sie uns gerne.
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