Stand:
29.08.2024
Magda Olszewska
INHALTSVERZEICHNIS
Mit steigender Globalisierung treten die ausländischen Unternehmer immer öfters auf den polnischen Markt, ohne dabei eine feste Niederlassung in Polen zu gründen. Spätestens wenn ein Kontrakt in Polen in Aussicht steht, stellt sich die Frage, ob der ausländische Unternehmer die Leistung mit der polnischen Umsatzsteuer abrechnen soll (und daher der Registrierungspflicht zur Umsatzsteuer in Polen unterliegt), oder der Erwerber die entstandene Umsatzsteuer gemäß dem Reverse-Charge-Verfahren schulden wird (und daher die Registrierung zur Umsatzsteuer in Polen vermieden werden kann).
Im Normalfall ist der leistende Unternehmer zur Ausstellung der Rechnung mit dem Ausweis der Umsatzsteuer verpflichtet und, aus diesem Grund, muss er die sich vorher zu der Umsatzsteuer registrieren lassen. Das Gesetzt sieht jedoch Ausnahmen aus der Regelung vor, die in bestimmten Fällen (insbesondere in den Fällen von leistendem Unternehmer aus dem Ausland) die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens vorsehen. Hier ist zu beachten, dass der Anwendungsbereich der Umkehr der Steuerschuld nur teilweise in sämtlichen Mitgliedstaaten harmonisiert ist. Die RL 2006/112/EG eröffnet nämlich den Mitgliedstaaten einen relativ großen Gestaltungsraum in dieser Hinsicht. Von daher ist es nicht in jedem Fall möglich, aus den in Ihrem Staat geltenden Vorschriften Rückschlüsse auf die polnische Rechtslage zu ziehen. In diesem Artikel bespreche ich die polnischen Regelungen, die die Umkehr der Steuerschuld bei den im Inland erbrachten Leistungen vorsehen.
Bitte beachten Sie, dass es sich hier um eine stark vereinfachte Darstellung der Regelungen über die Umkehr der Steuerschuld in Polen handelt. Der Artikel dient der Veranschaulichung der Konstellationen, die bei unseren Mandanten zumeist auftreten. Im Detail sind diese Regelungen wesentlich komplexer und können bei spezifischen, erfahrungsgemäß seltener vorkommenden Arten von Transaktionen anders ausgestaltet werden.
Bei der Lieferung von Waren schuldet der Empfänger in der Regel die Umsatzsteuer, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Hier ist insbesondere zu beachten, dass die fehlende Umsatzsteuerregistrierung in Polen die Voraussetzung für die Anwendung der Umkehr der Steuerschuld ist. Die voreiligen Unternehmer, die sich zu der Umsatzsteuer anmelden wollen, ohne vorher zu prüfen, ob die Umkehr der Steuerschuld in ihrem Fall anwendbar wäre, verzichten somit möglicherweise mit der abgeschlossenen Umsatzsteuerregistrierung auf die Möglichkeit der Anwendung der Umkehr der Steuerschuld.
Beispiel A: Der deutsche Unternehmer U in Kiel hat den Auftrag erhalten, Komponente für die Fördertechnik in Deutschland herzustellen, sie nach Danzig (Polen) zu liefern und sie zu einer Gesamtanlage für den polnischen Unternehmer K zu bauen. Der deutsche Unternehmer U ist zu der polnischen Umsatzsteuer nicht registriert.
Die Umsatzsteuer für diese Lieferung schuldet K als Erwerber, weil U ein ausländischer Unternehmer ist und über keine Umsatzsteuerregistrierung in Polen verfügt, wobei K seinen Sitz in Polen hat.
Würde sich U entscheiden, sich zu der Umsatzsteuer vorher freiwillig anzumelden, würde stattessen U die Umsatzsteuer schulden und die Umkehr der Steuerschuld nicht anwendbar wäre.
Beispiel B (Fortsetzung des Beispiels A): Der deutsche Unternehmer U hat seinen Subunternehmer L aus Hamburg beauftragt, manche Komponente für die vom K beauftragten Fördertechnik herzustellen, nach Danzig (Polen) zu liefern und sie dort einzubauen.
Die Umsatzsteuer für diese Lieferung schuldet L als der leistende Unternehmer und ist somit zur Umsatzsteuerregistrierung in Polen verpflichtet. Die Umkehr der Steuerschuld ist nicht anwendbar, da der Erwerber U weder über Sitz noch feste Niederlassung in Polen verfügt.
Der polnische Gesetzgeber unterscheidet bei der Anwendung der Umkehr der Steuerschuld für die sonstigen Leistungen grundsätzlich zwischen den im Zusammenhang mit dem Grundstück erbrachten sonstigen Leistungen und den sonstigen Leistungen, bei denen sich der Ort des Umsatzes nach der Grundregel für B2B Umsätze bestimmt (Empfängerortprinzip) [1].
Bei der Erbringung von sonstigen Leistungen, bei denen sich der Ort des Umsatzes nach der Grundregel für B2B Umsätze bestimmt, schuldet der Empfänger die Umsatzsteuer, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Diese Regelung enthält zwar buchstäblich keine Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger in Polen ansässig ist, die Voraussetzung der polnischen Ansässigkeit des Leistungsempfängers ergibt sich aber aus den Regelungen über die Umsatzortbestimmung (ansonsten wäre eine solche sonstige Leistung in Polen überhaupt nicht steuerbar).
Bei dieser Regelung zu beachten, dass der Umstand, ob der leistende Unternehmer über die Umsatzsteuerregistrierung in Polen verfügt oder nicht, keine Bedeutung für die Beurteilung hat, ob die Umkehr der Steuerschuld Anwendung findet (wie es bei der Lieferung von Waren der Fall war).
Wenn ein ausländischer Unternehmer eine sonstige, der Grundregel der Umsatzortbestimmung unterliegende Leistung an einen polnischen Unternehmer erbringt, schuldet der polnische Leistungsempfänger die Umsatzsteuer unabhängig davon, ob der ausländische Unternehmer über die polnische Registrierung zur Umsatzsteuer verfügt oder nicht.
Bei der Erbringung von den im Zusammenhang mit dem Grundstück erbrachten sonstigen Leistungen, schuldet der Empfänger die Umsatzsteuer, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Bei den mit dem Grundstück erbrachten sonstigen Leistungen ist es somit wieder maßgebend, ob der leistende Unternehmer über die polnische Umsatzsteuerregistrierung verfügt oder nicht.
Somit können die Steuerpflichtigen, die mit dem Grundstück zusammenhängenden Leistungen erbringen, sich in manchen Fällen freiwillig zur Umsatzsteuer registrieren und auf die Umkehr der Steuerschuld verzichten.
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Wenn die von Ihnen ausgeführten Leistungen der obligatorischen Registrierungspflicht nicht unterliegen, die Registrierung aber freiwillig vorgenommen werden kann, können Sie folgenden Aspekte in der Entscheidungsfindung berücksichtigen:
Manche Unternehmer, die die Leistungen in Polen für die polnischen Kunden ausführen, machen sich Sorgen, dass sie die ihnen von polnischen Lieferanten in Rechnung gestellte polnische Umsatzsteuer ohne die Umsatzsteuerregistrierung nicht zurückbekommen können. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die ausländischen Unternehmer, die in Polen steuerpflichtige Erwerbe ausgeübt haben, bei denen die polnische Umsatzsteuer angefallen ist, in der Regel die Möglichkeit haben, einen Antrag auf die Erstattung der polnischen Steuern über die Steuerbehörde eigenes Staates zu stellen (mehr darüber können Sie in unserem Blog-Eintrag Vorsteuererstattungsverfahren in Polen nachlesen). Die Voraussetzung der Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens für die ausländischen Unternehmer ist zwar, dass sie keine Verkäufe in Polen ausführen, die Reverse-Charge-Umsätze sind aber aus dieser Regelung ausgenommen.
Die Ausführung von Leistungen in Polen, für welche die Steuerschuld auf den Erwerber übergeht, schließt demnach die Möglichkeit der Erstattung der polnischen Vorsteuer in dem Vorsteuererstattungsverfahren für die ausländischen Unternehmer nicht aus.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Vorsteuererstattungsverfahren mehrere Monate in Anspruch nimmt. Manche Unternehmer entscheiden sich für die Anmeldung zur Umsatzsteuer in Polen, obwohl sie keine Pflicht dazu haben und die in Polen angefallene Vorsteuer im Vorsteuererstattungsverfahren für die ausländischen Unternehmen zurückbekommen können, um die Vorsteuererstattung im Wege einer regulären Umsatzsteuermeldung schneller zurückzubekommen.
Die Lieferung von manchen Waren und Leistungen unterliegt in Polen dem sog. Split-Payment-Verfahren. Mehr über dieses Verfahren können Sie in unserem Blog-Eintrag VAT Split Payment nachlesen.
Die Lieferer, die die Leistungen erbringen, die dem Split-Payment unterliegen und die Umsatzsteuer in Rechnung ausweisen, sind verpflichtet, den Kunden die Zahlungen für die Rechnungen im Split-Payment-Verfahren zu ermöglichen. Die Anwendung des Split-Payment-Verfahrens ist an sich nicht kompliziert, aber, da das Split-Payment nur in Polen Anwendung findet, hat der Gesetzgeber solche Unternehmer dazu verpflichtet, ein Geschäftskonto in Polen zu eröffnen. Erfahrungsgemäß haben unsere ausländischen Mandanten massive Probleme mit den polnischen Banken, wenn sie die Eröffnung des Geschäftskontos in Polen beantragen.
Von daher, wenn die von Ihnen gelieferten Gegenstände dem Split-Payment unterliegen, und Sie die freiwillige Registrierung zur Umsatzsteuer in Betracht ziehen, obwohl die Lieferung dieser Gegenstände ohne die Registrierung zur Umsatzsteuer der Umkehr der Steuerschuld unterliegen würde, ist in erster Linie zu bestimmen, ob Sie bereit sind, einen mühsamen Prozess der Geschäftskontoeröffnung in Polen zu unternehmen. Werden Sie Ihr Unternehmen freiwillig zu der Umsatzsteuer anmelden, wird nämlich die Umkehr der Steuerschuld nicht mehr anwendbar und die Eröffnung der Geschäftskonto in Polen für die Zwecke der Anwendung des Split-Payments zwingend erforderlich.
Fußnoten:
[1]
Das Gesetz enthält auch weitere spezielle Regeln für die sonstigen Leistungen, die aber dermaßen selten vorkommen, dass wir auf deren Besprechung hier verzichten.
Mein Name ist Magda Olszewska. Ich bin polnische Steuerberaterin und Leiterin der Kanzlei Olszewska Tax Consulting. Ich verfasse regelmäßig neue Artikel für unseren Blog, in denen ich Themen aufgreife, mit denen wir uns in unserer Praxis befassen.
Sollte es noch offene Fragen geben oder der Wunsch nach einer persönlichen Beratung bestehen, kontaktieren Sie uns gerne.
Früherer Eintrag:
🡨 Pflicht zur Ausstellung der Rechnungen
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➔ USt-ID des Lieferers bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen
16.07.2024
Eine der Voraussetzungen für die Anwendung des Nullsatzes für die innergemeinschaftlichen Lieferungen ist in Polen, dass der Steuerpflichtige (Lieferant) zum Zeitpunkt der Abgabe einer Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige diese Lieferung ausweist, über eine gültige polnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) verfügt.
18.03.2024
Haben Sie bereits begonnen, in Polen steuerbare Umsätze auszuführen, ohne sich zuerst zu der polnischen Umsatzsteuer anzumelden und jetzt wollen Sie die Anmeldung zu der polnischen Umsatzsteuer nachholen? Erfahren Sie von unserem Blog-Eintrag über die Möglichkeit der rückwirkenden Anmeldung zur Umsatzsteuer in Polen.